Textile Touches of Escape and Migration

deine Kleidung berührt mich

Irene Schüller

Initiatorin des Projektes, Bildende Künstlerin, Kuratorin, Filmemacherin (Freiburg, Deutschland)

ModedesignerInnen

Bisherige Beteiligungen

KünstlerInnen

Bisherige Beteiligungen

wer

Irene Schüller: Initiatorin des Projektes, Bildende Künstlerin, Kuratorin, Filmemacherin (Freiburg/D)

In meiner künstlerischen Arbeit beschäftige ich mich zunehmend mit der Fragestellung, welche Formen der Wahrnehmung uns Menschen zur Verfügung stehen und wie wir sie begreifen können. Ich frage mich, wie weit der Entscheidungsspielraum für unser eigenes Handeln reicht? Können wir unsere Intuition und unser Bauchgefühl beeinflussen?

Mit „Textile Touches of Escape and Migration“ möchte ich die Herausforderungen, die Flucht, Migration und Integration für einzelne Beteiligte, aber auch für eine ganze Gesellschaft bedeuten, in den Fokus rücken. Während vor der Pandemie die Lage der Flüchtenden das bestimmende Thema in den Medien war, nahmen in meinem direkten Umfeld rechte Stimmen zu. Diese Entwicklungen – die unmenschlichen Zustände an den EU-Außengrenzen, die Berichterstattung über eben diese und der rechte Hass – ließen in mir Gefühle der Ohnmacht und des Entsetzens wachsen.

2019 begab ich mich mit einem One-Way-Ticket auf die griechische Insel Lesbos, um mir ein klareres Bild machen zu können von dem, was Flucht für den oder die Einzelne bedeutet und was die Menschen, die bei uns ankommen, hinter sich haben. Ich besuchte das Lager Moria, wo ich vor allem Afghan*innen und Somalis kennenlernte. Sie nahmen mich mit – erst in ihre Zelte und dann auf ihren Weg, der sie aus der Heimat nach Moria führte, in der Hoffnung, möglichst bald nach Deutschland oder in andere Länder reisen zu können, in denen sie sich frei und sicher fühlen. Außerdem half ich beim „Beach Clean“, um die Ufer von den Überresten der Flucht zu befreien. Wenig später lernte ich in Berlin einen Modedesigner aus Syrien kennen, der mir ausführlich über seinen Weg von Syrien über die Türkei nach Lesbos, Athen und Berlin berichtete und dabei immer wieder die Rolle der Kleidung auf der Flucht aufgriff. Aber mehr dazu im Blog.

Wie auch in vorangegangen interaktiven Arbeiten nähere ich mich dem Thema über Körper und Emotion und vermeide bewusst eine kognitive Herangehensweise. Im Rahmen von „Textile Touches of Escape and Migration“ lade ich interessierte Menschen ein, ihre Erfahrungen und Emotionen in Form eines Kunst-Kleidungsstücks auszudrücken und anschließend Anderen die Möglichkeit zu geben, dieses anzuziehen und so in ihre, in die Haut des*der Anderen zu schlüpfen.

Die Produktion eines solchen Kleid-Kunst-Werkes ermöglicht dem/der Künstler*in eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Sichtweise. Eventuell gehört auch Mut dazu, sich mit dem eigenen Kleid-Kunst-Werk zu zeigen. Dem*der Ausstellungsbesucher*in wiederum bietet sich durch die Konfrontation mit der Gefühlswelt eines*einer Anderen, die Gelegenheit, eine möglicherweise überraschende Erfahrung zu machen, die unumgänglich zur intimen Auseinandersetzung mit sich selbst führt. Die Aufforderung, das Kunstwerk eines anderen sprichwörtlich anzuziehen schafft somit den Raum, auf ganz körperliche Weise, neue Perspektiven einzunehmen.

Ich wünsche mir, dass dieses Projekt mit viel Offenheit und auch einer gewissen Freude am Ausprobieren und Konfrontieren mit eigenen Barrieren umgesetzt wird. Ich wünsche mir eine ehrliche Auseinandersetzung, die allen Beteiligten die eigene Verwundbarkeit vor Augen führt, mehr Empathie und Interesse entwickeln, sowie das eigene Denken und Handeln überprüfen und gegebenenfalls korrigieren lässt.

Integration kann nur gelingen, wenn Geflüchtete und Einheimische sich wirklich begegnen. „Textile Touches of Escape and Migration“ lädt explizit Menschen mit und ohne Fluchterfahrung zur Teilnahme ein und möchte dieser notwendigen Begegnung einen Raum, einen Anlass geben.

Menschen, die sich als Kommunikator*innen und Organisator*innen am Projekt beteiligen möchten, sind ebenfalls mehr als willkommen.

Mehr zu meinen Arbeiten unter www.irene-schueller.de.

ModedesignerInnen

Amanda Glücks

Modedesignerin

Als Designerin liegt mein Fokus seit meinem Studium auf Innovation im kreativen anthropologischen Bereich. Seit 2017 arbeite ich eng mit sozial benachteiligten Personen zusammen, um Geschichten und Potenziale bei Menschen zu öffnen. Nebenbei engagiere ich mich in verschiedenen kulturellen Projekten. 2017 begann ich das erste Sozialprojekt, bei dem ich Müttern mit schwer kranken Kindern einen sozialen Raum zur Verfügung stellte und verschiedene therapeutische Kunstworkshops anbot. Dies führte am Ende sowohl zu deren persönlicher künstlerischer Entwicklung als auch zu zusätzlichem Einkommen durch ihre Kunst und Kleidung.

Von 2013 bis 2016 arbeitete ich an der Konzeption von offiziellen Modewochen wie der Sao Paulo Fashion Week und der Paris Fashion Week. Ich war auch für Kunstgalerien in Rio de Janeiro und Berlin tätig, wo ich 2019 erste kuratorische Erfahrungen sammeln konnte. Seit 2019 lebe ich wieder in Berlin, nachdem ich lange Zeit im Ausland verbracht habe, wo ich intensiven Kontakt auch mit Geflüchteten hatte. 2015 hatte ich die Gelegenheit, den tiefen und emotionalen Weg naher Menschen während ihrer Flucht nach Deutschland mitzuerleben und zahlreiche Text- und Videodokumentationen zu erstellen.

Meine Hauptaufgabe und mein Hauptziel in meiner Arbeit sehe ich darin, Menschen in ihrer Individualität zu stärken. Meine Vision ist es, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Potenziale auf allen Ebenen zu erkennen und zu entfalten. Ich verwende kreative Ansätze, die einen starken Fokus auf sozial relevante Themen wie Nachhaltigkeit, Empowerment und Diversität legen.
Durch meine Arbeit im Rahmen von „Textile Touches of Escape and Migration“ möchte ich gemeinsam mit anderen Menschen das Thema Flucht in einer künstlerischen und poetischen Form erfahrbar machen. Es ist mir wichtig, die Facetten des Menschseins mit allem, was dazugehört, zu betrachten, und aus diesem schweren Thema heraus durch den gemeinsamen künstlerischen Prozess Transformation zu ermöglichen.

 

Uwe Schimera

Modedesigner

CHIMERA COLLECTION war über 30 Jahre sein berufliches Tätigkeitsfeld in Düsseldorfs Innenstadt. Theater Roben, Abendkleider, Spezial Anfertigungen für Film- und Foto und die Gestaltung idealer Kleidung für modeorientierte Menschen mit Sinn für das Besondere einer Maßanfertigung.
Die Liebe zum Menschen ließ ihn immer wieder nebenher sein Können für wohltätige Zwecken einsetzen. Egal, ob es Kinder Aufführungen oder in den letzten Jahren seit der ersten „Flüchtlingswelle“ verstärkt die Unterstützung Geflüchteter war. Die Leitung von Nähkursen für unterschiedliche Institutionen und Aufmerksamkeit für Individualität im täglichen Business zeichnen seinen sensiblen Umgang mit Menschen aus.

Von der ersten Sekunde ist Uwe begeisterter Begleiter bei der Planung und Umsetzung von TEXTILE TOUCHES in Düsseldorf. Er trägt mit seiner komplettem Material Spende und routiniertem Design KnowHow die praktische Umsetzung der Workshops. Bei der hohen Beteiligung ist sein Einsatz nicht wegzudenken und er gibt jeder Kleider-Idee neben einer stilvollen Skizze auch die ideale Ausführung. Sein künstlerisches Feingefühl lassen die erlebten Geschichten der Teilnehmerinnen voller Emotionalität in textile Berührungen der Kunst-Kleid-Werke fließen.

 

Birgit Schwitalla

Modedesignerin, Stylistin und Dozentin

Aufgewachsen in der internationalen Vielfalt einer kleinen Forschungsstadt haben mich andere Kulturen schon immer fasziniert. Diese Affinität setzte sich in meiner beruflichen Arbeit als Stylistin auf Fotoreisen und internationalen Produktionen fort. So inspirierten mich Team-Kolleg:innen aus Eritrea, Afghanistan, Persien und Syrien – ihre Fluchtgeschichten waren auch immer Anlass zur Dankbarkeit für mein sicheres Leben. Die Erzählungen meiner Mutter und Großmutter über ihre Flucht als Russland-Deutsche aus Odessa am Ende des 2. Weltkrieges prägten meine Kindheit und erleben eine bittere Aktualität durch die Ereignisse in der Ukraine seit Februar 2022.

Mit der Umsetzung von Irenes Kunstprojekt TEXTILE TOUCHES in Düsseldorf hoffe ich auf mehr Aufmerksamkeit und Toleranz für vermeintlich Fremdes in unserer Gesellschaft. Das Zusammenwirken meiner Empathie, Berufserfahrung und Familiengeschichte erhält durch diese Arbeit eine Chance, vielen Menschen größten Respekt zu erweisen, die den Mut haben, ihre Heimat um der Freiheit Willen zu verlassen. Wenn wir durch dieses Projekt weitere Menschen motivieren können, ihre Flüchtlingsemotionen in Gesprächen mit uns zu teilen und in Fluchtkleid-Kunstwerke zu vernähen, dann unterstreichen wir damit unser besonderes Verständnis für die Situation der Betroffenen – durch Emotion, in der Öffentlichkeit, für die Freiheit.

Annrike Udroiu

Diplom Textil- und Modedesignerin (FH), Kostümbildnerin, Arbeitsanleiterin und Sozialarbeiterin

Neben meiner Arbeit als freischaffende Designerin arbeite ich seit vielen Jahren mit sozial benachteiligten Menschen. Zunächst in der Arbeitstherapie als Anleiterin einer Näh- und Kreativwerkstatt und seit 2015 in der Sozialarbeit mit Geflüchteten.
Auch in meinem persönlichen Umfeld waren Flucht und Verlust von Identität ein präsentes Thema, da meine Großeltern und deren Familien im zweiten Weltkrieg fliehen mussten. Die Erfahrung des Vertrieben Seins, des Zurücklassens und des Heimatverlustes haben unsere Familienbiografie stark geprägt.
Ich habe von zahlreichen Menschen ausführlich über deren Fluchtgeschichte erfahren, über die verschiedenen Stationen und Emotionen vor, während und nach der Flucht. Diese Berichte sind so individuell wie die Menschen selbst und häufig reichen Worte allein nicht aus um das Erlebte auszudrücken. Daher freue ich mich und bin gespannt darauf mich der Thematik von gestalterischer Seite anzunähern und in Workshops zum Projekt mit Interessierten an deren Individuellen Kleid-Kunst Werken zu arbeiten.

 

KünstlerInnen

Afghanischer Frauenverein Berlin

Tasche, Beutel, Zuhause, 2024

Zusammenarbeit mehrer Frauen aus dem Verein.
Text von Sahra Zodane, Amanda Glücks und Nina Ryba.

 

Als wir damals aus dem Iran kamen, steckten wir mit einer Hand der Kleidung, die wir trugen, eine Hand in eine Tasche, sowohl für mich selbst als auch für meine Kinder, und etwas Brot und Geld, was das Wichtigste war, und einen Ausweis Dokumente, die geschmuggelt wurden, als wir vom Meer kamen und nur unsere Tasche blieben.
Was nimmst Du, wenn Du gehst?
Du gehst, Du reist nicht.
Ins Nichts , was bleibt und wieviel von Nichts brauchst Du?
Was kannst Du tragen, neben Kind,Trauer, Furcht und Wut?
Neben dem was Du zu ertragen hast und was noch kommt.
Kein Spaziergang.
Sie ist Begleiter, Schutz, wird vielleicht auch Kleidung. Wird Eins mit Dir.
Sie Dir nicht gestohlen, nicht verloren geht. Manch letzter Besitz darin, Erinnerungen, sie bei und an Dir tragen.
Eine Selbstermaechtigung, sie selbst wieder herstellen zu können.

Hinda Ahmed

„I am a refugee“, 2023

Hinda Ahmed, 24 Fotografin, Somalia

Fotos: Irene Schüller
Model: Mahfuza Salh

 

Anomym no. 1

Kurdisches Kleid, Heimat, Tradition, 2023

Hausfrau, 37 Jahre, Irak
Die kurdische Schnitt Tradition der der festlichen Kleider.
N. nähte aus einem westlich designten Seiden Crêpe den besonderen Kaftan für Feste und Feierlichkeiten ihrer Heimat. In der Farbe der Transformation und des Projekts TEXTILE TOUCHES.
Die Ärmel des Kaftans werden mit dem Body in einem Stück rund angeschnitten. Für besondere Anlässe erhält der dreiviertel lange Ärmel eine überlange Verlängerung, oft in einer Kontrastfarbe, deren Enden über die Schultern hochgeschlagen und im Rücken gebunden werden. So umschmeicheln sie immer wie ein bodenlages Tuch oder Schal den Körper der Frau und setzen bei jeder Bewegung seitliche Akzente. Besonders beim Tanzen wehen die leichten Ärmel um die Frau herum.
N. hatte beim Nähen ihres Kleides sehr viel Freude und war sehr gefordert, da sie noch nie eine Seide verarbeitet hat und bisher eher Reparaturen ihrer westlichen Kleidung oder Kopftücher fertigte.

Für uns war die Ärmelkonstruktion nach Foto Vorlagen aus dem Netz und wenig deutscher Kommunikation eine echte Herausforderung. Gleichzeitig eine ganz wunderbar neue Inspiration für besonders feminine Linienführung, die wir in Zukunft sicher anwenden werden.

Fotos: Irene Schüller
Model: Mahfuza Salh

Halyna Al Ismael

Silvesterkleid, 2023

Bank Managerin, 38 Jahre, Ukraine

Halyna kam im Oktober 2022 mit ihren beiden Söhnen aus der Ukraine nach Deutschland.
Dem Krieg entflohen in Sicherheit.
In fremder Umgebung, mit fremden Menschen, fremder Sprache.
Weihnachten und Silvester ohne vertraute Gewohnheiten, ohne Familie, ohne ihr geschmücktes zu Haus, ohne Festlichkeit.
Im Workshop beschließt sie, ein festliches Kleid mit traditioneller, ukrainischer Stickerei für sich zu nähen. So kann sie sich auf den nächsten Winter hier in Deutschland freuen. Sie spricht inzwischen die Sprache, hat sich eingelebt und die Aussicht auf Zukunft ist positiver geworden.
Das schwarze Samt-Kleid mit silberner Perlen-Stickerei gibt ein Gefühl von etwas Heimat am Körper – besonders an Sylvester – ihrem liebsten Festtag.

Halyna (rechts) in ihrem Silvesterkleid

Foto: Ben Safir

Atish

„A Shelter Called Art“, 2023

Atish, 22, Künstlerin, Iran

خنده
داشتم به جرات زمان فكر ميكردم
ك من درست در عكس هاي بچگي چه بي ريا ميخنديدم
صداي قهقهه خندهايم كر كرده بود گوش البوم عكس خانوادگيمان را
گويا زمان ميدانست ك دگر در هيچ عكسي نخواهم خنديد
راستي چرا ديگه جرات نميكنم بخندم
شايد خنده هايم را جاي گذاشته ام مياان سيم خاردارهاي مرز تركيه
نميدانم شايد جاي گذاشته ام در چكمه های مرز بان ترك كه با نفرت به صورتم فشار مياورد
شايد جاي گذاشته ام در شهر ادرنه كه با بدن اريان به دنبال سر پناهي بودم
به گمانم جاي گذاشته ام در موج هاي سرد درياي اژه
نميدانم خنده هايم كجا جاي گذاشته ام
شايد درون انگشتر پدرم ك با تنفر بادستانش به صورت نازک من كوبيد
متعجبم ك چگونه هنوز در جستجوي لبخند هايم هستم
شايد لبخندم را گرفتند در إزاي زندگي در تبعيد

Die Jacke, die sie als Kunstwerk bemalt hat, hat sie selber auf Ihrer Flucht von der Türkei nach Griechenland getragen. Die Schlepper haben ihr gesagt sie solle etwas Dunkles anziehen, damit man Sie in der Nacht nicht sieht.

Den Rucksack hat sie selber aus Resten einer Rettungsweste genäht und darauf gezeichnet.

Ihr Text:  Ich bin Atish, eine Künstlerin.

Ich bin seit vielen Jahren aus dem Iran weg. Ich habe mehrere Jahre in der Türkei gelebt. Dann kam ich nach Griechenland. Und ich habe immer gezeichnet, um mein Herz und meine Seele zu beruhigen. Meine Schwierigkeiten waren so groß, was nicht geschrieben werden kann.

Ich musste mit 14 Jahren von zu Hause weglaufen und jetzt bin ich 22 Jahre alt und lebe in Frankfurt.

Ich hoffe, dass ich eines Tages ein nützlicher Mensch in der Gesellschaft sein kann. Weit entfernt von Geschlechterunterschieden.“

 

Fotos: Irene Schüller
Mode: Jenny Schünemann

Anna Laura Bach

„Begegnungsmöglichkeit für mindestens Zwei“, 2022
Die Arbeit „Begegnungsmöglichkeit für mindestens Zwei“ dient dazu, neue Wege des Miteinan- ders zu erforschen, ungewohnte Begegnungen erlebbar zu machen um mit neuen Erfahrungen des Zwischenmenschlichen die Gesellschaft hoffentlich ein bisschen verändern und prägen zu können. Diese Begegnungen finde ich immer, aber vor allem für eine zukünftige Gesellschaft, in der neugierige Offenheit und zwischenmenschliche Zusammenkünfte eine besondere Rolle spielen, relevant. Das Kleidungsstück hat vier Ärmel und kann von zwei Personen getragen werden. Diese stehen sich frontal gegenüber und sind miteinander verbunden. Sie können sich Raum geben, die Be- wegungen des Einen wirken sich auf den Anderen aus. Es entstehen ungewohnte Begegnungen durch die Interaktion beim Tragen des Kleidungsstückes. Das Miteinander wird zum zentralen Aspekt der Arbeit. Das Objekt selbst ist schlicht und unauffällig, die intuitive Interaktion steht im Vordergrund. Das Material ist robust und wetterfest. Das Thema Flucht und Heimat gewann für mich in den letzten Jahren, vor allem durch meine ehrenamtliche Arbeit in einem Kulturverein zunehmend an Bedeutung. Durch Begegnungen mit Menschen die Fluchterfahrungen machten, deren Geschichten und die gemeinsame Zeit und Kulturarbeit bewegten mich und gewannen auch in meiner persönlichen und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Zwischenmenschlichen an emotionaler Bedeutung. Als Modedesi- gnerin sehe ich es auch als die Aufgabe von Bekleidung zu gesellschaftlicher Entwicklung beizu- tragen. Mode, oder zumindest diese Arbeit, soll Menschen zusammenbringen und verbinden die unterschiedliche Herkunft, Vergangenheit, Kultur und Geschichte haben. Die „Begegnungsmög- lichkeit für mindestens Zwei“ ermöglicht eine besondere zwischenmenschliche Auseinanderset- zung für die Träger:innen.

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Foto: Nils Theurer

Eliza Bos, Lynda Ejiofor

Trench 2050, 2023

ELIZA Studentin, 25 Jahre, polnisch-russisch
LYNDA Fotografin, 25 Jahre, deutsch-nigerianisch

Der „Trench 2050“ – Multifunktionalität, Survival, Zuhause.
Ein Projekt, das die Ideen von Nachhaltigkeit, Anpassungsfähigkeit und Sicherheit vereint. Für eine dystopische Zukunftsvision, in der die Klimakrise unsere Welt endgültig beherrscht und Überleben das neue Leben ist.
Vielschichtig wie die Menschheit selbst, ist der „Trench 2050“, so viel mehr als ein Trenchcoat.
Eine Heimat, die wir immer bei uns tragen, Erinnerungen geborgen
und essenzielle Schätze sicher verwahrt.
In seinen vielen Taschen ruht ein Stück von uns, ein Mosaik des Individuums, das es trägt.
Gefertigt für jene Zukunft, die wir uns nie erträumten.

Fotos: Ben Safir

Moni Bosch

Bilder im Kopf, 2022

Künstlerin, Deutschland

einige Gedanken dazu:
Ankommen ohne Gepäck – im Kopf die Bilder
Bilder der Vergangenheit: lang zurückliegend – erst kürzlich

Erinnerungen an
die Kindheit
die Familie
das Zuhause
Missstände, die die Flucht verursacht haben
Erinnerungen an
den Aufbruch
die Flucht

Fragmente des Lebens in einer umbruchstarken Zeit
unsortiert
verstärkt durch starke Emotionen
Kopfkino
Eindrücke, die abrufbar
aber auch als visuelle Gedankenblitze einen Moment bestimmen.

Entwurzelungen und Assoziationen,
Festhalten-Wollen an den Erinnerungen, die so nach und nach schwinden.
Erinnerungen, die Davon-Schwimmen
Erinnerungen die sich wandeln,
durch Wünsche – Sehnsüchte – mit neuen und alten Vorstellungen

Denkanregungen, die gerne noch ergänzt werden können:

WHY ME?
Für Geflüchtete und die Betrachter*innen:
– warum und wie betrifft mich diese Situation?
– Einfluss der Weltpolitik – Einfluss auf mein persönliches Leben
– Krieg/Frieden – Hunger/Überfluss – mein persönliches Schicksal
– …
WHY NOT!
Für Geflüchtete: Rückkehr – Angst vor Tod – Angst vor dem Neuem – …
Für die Betrachter*innen: schlechtes Gewissen – Angst vor neuem Einfluss – …

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Fotos: Nils Theurer
Model: Mahfuza Salh

Waltraut Brügel

„was bleibt …“, 2022

Künstlerin, Deutschland

Meine Arbeit steht für VERTREIBUNG und FLUCHT und ist meine eigene Geschichte

Geboren bin ich in einem deutschsprachigen Ort in der Vojvodina, dem damaligen Ungarn. Meine Eltern führten ein gut bürgerliches Leben, wurden dann aber durch den 2. Weltkrieg enteignet und, alles zurücklassend, in Arbeitslager und Vernichtungslager deportiert.
Von da aus gelang meiner Mutter mit mir und meiner Großmutter die Flucht von Ungarn über Österreich nach Deutschland. So kamen wir nach 2 Jahren als Flüchtlinge in einem neuen Land an; bekamen bei Einheimischen ein Zimmer zugewiesen, danach das Nachtwächterhäuschen als Wohnung.
Für mich begann nun mit 3 Jahren eine geordnete Zeit, allmählich verlor ich das Gefühl, ein Flüchtlingskind zu sein. Es wurde für mich eine glückliche Kindheit und Jugend.
Doch meine Mutter, besonders meine Großmutter, fühlten sich völlig entwurzelt, fremd und ohne Identität. Sie schleppten all ihre Erinnerungen mit sich und litten extrem unter dem Verlust der Heimat. Meine Mutter wurde mit 21 Jahren Witwe und versank über Jahre in ihrer Trauer.
Der Rock meiner Großmutter – einziges Kleidungsstück, das von der Vertreibung übriggeblieben ist -, hat mir als 2- und 3jähriges Kind während der Flucht Schutz geboten. Wiederum war er bei der Ankunft im fremden Land das sichtbare Zeichen des Andersseins.
In meinem Objekt verdeutliche ich durch die `Tränenschleppe`
die Schwere des Erlebten,
die angesammelte Traurigkeit, die vielen Ängste,
die Tragik des Fortgehens voller Sehnsucht.
Was zudem mitgeschleppt wurde und was ihnen aber blieb sind die Erinnerungen an ihr zurückliegendes Leben und ihres erlebten Glücks. Dies symbolisiert die Umhängetasche mit den geretteten kostbaren Fotografien, Zeugnisse einer glücklichen Zeit.
Nach und nach gelang ihnen, Dank der Bereitschaft der Einheimischen, eine Zugehörigkeit. Das Isoliert sein verschwand, Annäherung und Eingebundensein in die Gemeinschaft war gelungen.
Sie hatten in der neuen Heimat Platz genommen.

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Foto: Nils Theurer

Salomé Chaboki

Woman – Life – Freedom, 2023

Marketing Managerin, Mode Stylistin, 39 Jahre, Iran

Mode als Ausdruck der Integration
In der Modewelt ist es üblich, traditionelle Kleidungsstücke in Kollektionen einzubinden. Auch renommierte Designer wie John Galliano, Giambattista Valli und Karl Lagerfeld haben sich in der Vergangenheit von verschiedenen Kulturen inspirieren lassen. Doch leider ist das Verständnis für Integration in westlichen Ländern noch nicht bei allen angekommen.
Für mein Kunst-Kleid ließ ich mich von kämpferischen kurdischen Frauen an den Grenzen ihrer Länder inspirieren. Sie bewahren mit Stolz ihre Kultur und Werte, tragen jedoch eine Mischung aus militärischer und femininer Kleidung. Wie sähe eine solche Frau nach einer Integration in Deutschland aus?
In meiner Vorstellung rägt sie moderne Outfits, die ihre Weiblichkeit durch pinkfarbene Akzente betonen. Sie vergisst nie ihre kulturelle Identität und zeigt stolz ihre kurdischen Wurzeln mit passender Kopfbedeckung und Schuhen. Anstelle von Waffen trägt sie nun symbolisch Blumen.
Meinen Look in diesem Projekt widme ich allen starken Frauen weltweit, insbesondere den kurdischen,
ukrainischen und iranischen Frauen, die in den letzten Monaten viel kämpfen mussten. Ich möchte ihnen zeigen, dass wir sie mit offenen Herzen empfangen. Gleichzeitig appelliere ich an alle Menschen in Deutschland und Europa, Integration nicht nur zu erwarten, sondern auch aktiv zu ermöglichen – mit Liebe und Toleranz für alle Kulturen, Religionen und sexuellen Orientierungen.
WOMAN – LIFE – FREEDOM

Look-Credits:
Outfit: entworfen und geschneidert von Carla Markowitz
Kopfbedeckung: entworfen von Stylistin Salomé Chaboki und Encci
Schuhe: traditionelle Vintage-Schuhe aus Kurdistan

Kussay Chi Chakly

THE MEDITERRANEAN WAVE

by Kussay Chi Chakly, 44 years, Syrian fashion designer, living in Berlin since 2014

When I reached Berlin and moved to the “Ausländerheim” I had a small bag that had very few of my favourite clothes, my laptop, and a toothbrush.
There they had a room full of charity clothes, and much more came each week and piled up week after week.
People would pick some, but most of it just stayed there.
There I realised how big the textiles waste problem is in the first world! which started a spark between me and “recycling fashion”.
I was like everyone else looking for whatever I needed, but most of what I got was not really matching my flashy style.
So I would wait till everyone had picked what they wanted, then I would take some garments that had a nice colour or texture or were unwearable, cut them and patch them on plain T-Shirts, using my skills in evening wear couture.
This piece THE MEDITERRANEAN WAVE is one of these T-Shirts.
The T-shirt and all other materials are from what I found in the “Heim”, inspired by the stories of the countless people who have drowned trying to get to Europe since 2014.
It made me think how lucky we all are to be already here.
It made me think how far human beings are willing to go, just to feel safe and to live with dignity.
Even if they might end up in the bottom of the sea.
I wanted to tell them that you matter and I know why you did it.
I wanted to tell them that you are very brave and I will always remember you.
I wanted to tell them I’m sorry I couldn’t do much to help you.
And of course I wanted one more flashy t-shirt in my collection 🙂
The artwork was inspired from the wave by the Japanese artist Hokusai, and the black hand represents all the African refugees.

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Foto: Nils Theurer
Model: Yasmin Gryschka

Lena Maria Danner

Lichtvolle Umarmung, 2023

Lena Maria Danner, 38 Deutschland, Sozialarbeiterin

 

Fotos: Irene Schüller
Model: Annabell Loewe

 

Gisela Ethaner-Schelble

Roter Fluchtrock

Künstlerin, Deutschland

Und manchmal frage ich mich im Alltag: wenn wir uns nicht sehen, wenn ich keinen Menschen treffe, wenn wir keine Zeit haben, beschäftigt sind: ja, wie ist denn die Beziehung? Wie ist denn die wirkliche Beziehung zum Menschsein? Zum Menschen, zu Freunden, zu Kulturen, zur eigenen Identität, zur Fremdheit, zum Anderssein, zur Heimat? Ich setze mich schon lange mit dem Begriff von Heimat, Identität, dem Andersein-Fremdsein, dem Verbundensein in der Welt und den Anderswelten auseinander. Der Austausch im Fremdsein und Anderssein, im Treffen und Auseinandergehen von Menschen, der Transparenz von Gefühl und die Findung von Identität und das damit verbundene neue Heimatgefühl und dieses Schaffen von Nähe im Umgang mit anderen trifft mich im Leben immer wieder. Es berührt tief. Und dieses neue Gefühl von wiederfinden von Heimat wünsche ich allen Menschen in all und trotz der verlorenen Welten in den neuen mit Empathie gestalteten unterschiedlichen Räumen. Räume in denen die Selbstbestimmung von allen Menschen geschützt, gefördert und gelebt wird.
„Filz als ein ISOLATOR, ein schützender Überzug gegen andere Einflüsse. Dazu kommt sein WÄRME-Charakter, ferner die STILLE, da jeder Laut absorbiert und gedämpft wird.“ Auszug Zitat Joseph Beuys
Durchsichtige Folie transportiert die „Nacktheit“ und die Fragilität der Flüchtenden. Die transparenten Gefrierbeutel sind gleichzeitig der Behälter, ein Symbol für die potentiell eingefrorenen Emotionen, die ein Flüchtender vielleicht für einen Augenblick von sich abtrennen muss, damit er überhaupt imstande ist in dieser Schocksituation in Aktion zu gehen.
Bienenwachstuch als Assoziation von Wärme, Geborgenheit und Heimat. Texte als innerer Dialog vom Flüchtenden und
In dieser Arbeit spielen die Verbindungen von Traum und Flucht und Heimat eine zentrale Rolle, insbesondere der Verlust der Heimat und dem damit verbunden Schmerz.
Ich gehe darin den Fragen nach:
Wie erleben wir Flucht?
Was heißt es, die Heimat zu verlieren?
Was löst dies beim Flüchtenden aus?
Was können Träume bewirken, was ist ein Traum, eine Utopie?
Bietet das Ausleuchten der Verbindungen zum Schmerz und das Transparent machen davon die Hilfestellung von dieser Welt in einer anderen Welt Boden zu finden, in Kommunikation zu kommen, den Schmerz zu verarbeiten, Hilfe zu erhalten, ein Bewusstsein zu schaffen, was in einem Flüchtling vorgehen kann? Ein Bewusstsein im Gegenüber zu schaffen, was es braucht an Menschlichkeit, realer Hilfe und Dasein?

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Fotos: Nils Theurer
Model: Yifeng Wang

Shiva Ghazi-Leppkes

Fantasie der Kontraste, 2023

Chemie Ingenieurin, 33 Jahre, Iran

Mein Kleid zeigt den Zwang unserer Religion gegenüber Frauen.
Eine Seite des Kleides zeigt, was wir tragen sollen im Iran. Schwarzer Mantel, schwarzes Kopftuch – lang und nicht schön.
Die andere Seite des Kleides zeigt, was die Frauen wirklich möchten. Freiheit, Schönheit, Farbe.
Mein Kleid zeigt auch, dass die Leute von der dunklen Situation in eine hellere und glückliche Situation kommen wollen. Deswegen verlassen sie unser Land trotz aller Schwierigkeiten und suchen nach einem Ort für ein glückliches Leben.

Aynur Hasanova

Sage der Hoffnung, 2023

Hausfrau, 38 Jahre, Aserbaidschan

Es gibt eine Sage aus dem Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan, der von 1992 – 1994 herrschte.

Eine Gruppe flieht nachts Richtung Grenze und eine Frau ist dabei, deren Baby sehr viel und laut schreit … die ganze Zeit. Immer wieder wird sie gebeten, das Baby zu beruhigen, da alle durch das Weinen gefährdet sind.

Sie presst das Kind schützend an ihre Brust und wickelt ihren großen Schal dichter und dichter um sich und ihr Kind. Irgendwann ist es still.
Bei einer Rast schaut die junge Mutter nach ihrem Baby – es liegt tot in ihren Armen.

Die Gruppe möchte das Baby zurücklassen und fordert die Mutter auf, sich vom Balast zu befreien, es zu begraben. Heimlich trägt sie ihr lebloses Kind weiter im Tuch durch die Nacht – erst morgens am sicheren Ort öffnet sie ihr Tuch wieder.
Das Baby lächelt sie an Es hat überlebt!
Diese Geschichte steht für die Hoffnung und den Glauben an das Gute. Aynur hat den traditionellen Schal in übergroßer Form genäht – für das übergroße Gefühl der Mutter Liebe.

Foto: Irene Schüller
Model: Annabell Loewe

 

Franziska Heuer

„beinahum“, 2023

Franziska Heuer, 27
Deutschland, Studentin Kunsttherapie „bainahum“

Dieses Gewand ist in Anlehnung an einen traditionellen Kaftan entstanden. Der Schnitt ist abgewandelt. Er hat eine Kapuze und ist vorne offen. So kannst du schneller hineinschlüpfen. So schnell, wie du und ich andere Menschen oft in eine Schublade stecken und ihnen unsere Vorurteile überstülpen. Mit dem Aufsetzten der Kapuze bist du komplett im Schleier versunken und in den Stoff eingehüllt.
Der Stoff ist transparent. Wie eine kaum sichtbare Hülle soll er sich um dich legen. Um zu spüren, dass du zwar eine Jeans und einen Hoodie trägst und westlich gekleidet bist, und dich von außen doch diese Schale umgibt, deinen dunkleren Hautton, deine lockigen Haare. Wie will ich gesehen werden? Wieviel Identität will ich nach Außen zeigen? Wie definiere ich meine Identität? Fragen, über die ich selbst eigentlich noch nie nachdenken musste. Über die ich aber nachdenken möchte.
Auf dem Rücken des Gewands steht „bainahum“ geschrieben. Es ist die Brücke zwischen dem arabischen „بينهم“ und dem deutschen „dazwischen“. Die Lautschrift. Nicht ganz arabisch, nicht ganz deutsch. Irgendwas dazwischen. Und darauf soll das Gewand verweisen. Auf dieses zwischen zwei Kulturen, zwischen zwei Sprachen, zwischen zwei Kleidungsstilen, zwischen zwei Welten zu sein. Um die Anpassung, die vielleicht in manchen Situationen gewollt ist und in manchen nicht. Und darum, dass die betroffenen Menschen dies oftmals nicht selbst wählen können. Weil wir sie nicht wählen lassen, sondern für sie entscheiden. Um die Frage nach der eigenen Identität. Um die Frage nach der Integration. Was das eigentlich für jede*n Einzelne*n bedeutet. Und was das für uns bedeutet, für diejenigen, die auf Menschen mit Fluchtgeschichte treffen. Wie unsere Blicke auf sie treffen. Und sie berühren.
Ich wünsche mir, dass dieses Werk Dich provoziert deine Gedankengänge zu hinterfragen. Den Versuch zu wagen sich in die Situation des „dazwischen-seins“ mal hineinzudenken. Ich habe schon längst angefangen das zu tun. Zu Versuchen den Menschen möglichst pur kennenzulernen, wie er vor mir steht: Ganz gleich, welche Hülle er trägt. Es gelingt nicht immer. Wie oft gelingt es dir?

[bainahum]
von außen
das äußere
die schicht darunter
was ist in mir?
was sind teile von mir?

kann ich die hülle ablegen?
auch mal hundert prozent heimat sein?
auch mal hundert prozent hier sein?
oder immer nur irgendwas dazwischen?

kleidung in der ich stecke
die mich zu einem anderen menschen macht
die mich zu einem anderen menschen macht?
von außen vielleicht
auch von innen?
was verändert sich?

anpassen
beibehalten
vergessen
angleichen
und es doch nicht schaffen
aber will ich das überhaupt?
was will ich überhaupt?
will ich irgendwas dazwischen?
ich habe keine wahl
meine hülle ist da
seitdem ich hierher gekommen bin
sie verschwimmt
und ist da
so wie meine gefühle
verschwommen und irgendwie dazwischen

Fotos: Irene Schüller
Model: Ida Biegel

Maha Ibrahim

Schwarz & Weiß, 2023

Hausfrau, 32Jahre, Syrien

Ein Kleid in schwarz und weiß
Das war sofort die Idee
Worte, die meine Situation und meine Veränderung beschreiben:

 

ANGST GRENZE VERBOT

POSITIVE VERÄNERDUNG

GEFÜHLE BEGRENZT
UNTER KONTROLLE
KEINE SELBSTENTSCHEIDUNG

FREIHEIT
MUT
WÜRDE

KEINE ZUKUNFT !!!!!!

JAHRE VERSCHWENDEN
GESELLSCHAFT
ZUFRIEDENHEIT

SICH SELBST ENTDECKT
SELBSTBEWUSST

Fotos: Ben Safir

INDRA

Fluchtschürze, 2022

Künstlerin, Deutschland

Bei der „Fluchtschürze“ handelt es sich um eine Art Schürzenkittel, wie man ihn von Hausfrauen aus der Mitte des vergangen Jahrhunderts kennt. Der geblümte Stoff ist allerdings deutlich weniger robust, als es zweckmäßig wäre. Dafür ist die Anzahl der Taschen, die auf den Kittel appliziert ist, um ein vielfaches größer als üblich. Seitlich ist der Kittel offen, damit man ihn leichter überziehen kann und in diesem Kleidungsstück auch rennen könnte. Er lässt sich mit seitlich angebrachten Bändern auf die Größe der Träger*innen einstellen. Füllt man die vielen Taschen mit Gegenständen, merkt man, dass der Kittel nur so tut, als wäre er nützlich. Die Gegenstände behindern einen bei der Fortbewegung, sie fallen leicht heraus und man könnte Angst bekommen, dass der zu dünne Stoff gleich reißt. Das wirft Fragen auf – nicht nur, nach den Dingen, die man einpacken möchte, die nützlich für eine Flucht sein könnten, nach dem, was einem wichtig ist, nützlich oder nicht, nach dem, was unbedingt mit muss. Auch Fragen zu leeren Taschen und nutzlosen Rettungsroutinen, nach Ersetzbarkeit und Unersetzbarkeit von Dingen, nach dem Herausgerissen-sein aus der Alltagsroutine und dem daraus resultierenden Gefühl.
Als Kind habe ich oft den Fluchtgeschichten meiner Großmutter zugehört. Sie ist auch diejenige, die ich im Schürzenkittel erinnere, immer fleißig in Haus und Garten. Ihre Geschichten waren damals für mich nur Abenteuer, denen ich aufmerksam gefolgt bin – was es wirklich bedeutet, seine Heimat verlassen zu müssen, lässt sich aber wahrscheinlich auch als Erwachsene*r nicht vollumfänglich ermessen. – Vielleicht kann die Fluchtschürze ein wenig wie eine Haut sein, in die man schlüpft, um zumindest gewisse Aspekte dieser Erfahrungen am eigenen Körper nachzuspüren.

„Ich, Du, Zuhause“

Die Arbeit „Ich, Du, Zuhause“ besteht aus zwei Teilen, die zueinander gehören. Auf dem einem Teil befinden sich die Klettpositive, auf dem anderen Teil die Klettnegative, als rote Rechtecke in spiegelsymmetrischer Anordnung. Die Klettpatches befinden sich an der Vorderseite, der Rückseite und an den Ärmeln der Kittel. Mittels dieser Klettgegenstücke können die Träger*innen der Kittel sich in verschiedenen Haltungen und Relationen aneinander anheften sowie hörbar und fühlbar das sich-voneinander-Ablösen wahrnehmen. Die Kittel selbst können mit den seitlich angenähten Bändern auf die Größen der jeweiligen Träger eingestellt werden. Diese halten das Kleidungsstück am Körper und stehen dem Zug der zusammengekletteten, sich auseinander bewegenden Klettflicken entgegen. Beide Kittel sind aus Reststücken ungefärbten Baumwollgewebes zusammengenäht. Die Nähte sind sichtbar, wie bei auf links gedrehten Kleidungsstücken und an den Säumen lösen sich Fäden. Das Material ist roh, die Verarbeitung hat einen provisorischen Charakter. Die formalen Elemente repräsentieren gleichzeitig das Konzept der Arbeit. Der performative Gedanke und die Erfahrung von Anknüpfungs- und Auflösungsprozessen stehen im Vordergrund. Es werden die Beziehungen von einem Ich, einem Du und einem Gefühl von Zuhause sein befragt.
Die Idee zu „Ich, Du, Zuhause“ kam mir im Zusammenhang mit Gedanken darüber, was für mich das Zuhause-Gefühl ausmacht. Zuhause bin ich nicht nur an einem Ort, sondern vor allem in den Beziehungen zu meinen Liebsten, meiner Familie. Gerade auch die Trennung von Paaren, eine die flieht, einer der kämpft, kann aus dieser Sicht einen Verlust dieser Geborgenheit, ein Zerreißen des Aufgehobenseins bedeuten. Im Geräusch der reißenden Kletts steckt dieser Verlust und in seinem Anhaften manifestieren sich die Bindungskräfte der Liebe.

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www.indra-s.net

 

Fotos: Nils Theurer
Models: Ida Biegel, Yasmin Gryschka

Anzhela Kurnosova

And Blood Sprouts Flowers Through Scars, 2024

Wirtschaftsingenieurin, 51 Jahre, Ukraine

Author:
Anzhela Kurnosova

What is war?
– Black hole inside me.
A black hole passes through me.
Everything— all good things —falls inside into the black hole.
And everything disappears.
It was swallowed with a terrible unnatural whistle-howl, chowing…
Warmth.
Comfort.
Home.
Children.
Apple garden.
Sea.
Love.
My Odessa. My dear city.
Сountry.
Motherland.
Health.
Friends.
Hope.
Future.
Past.
Photos.
Diaries.
Family…
But what’s instead of everything? -…

Emptiness.
Despair.

The ground have gone out from my feet.
No support.
Nothing here.
Nothing left.
Nowhere to stand.
Nowhere to go.
No reason to go.
For what?
For pain?
The pain is becoming unbearable.
There’s no escape from the pain.

The damn thresher turned everything into mincemeat.
My life has been turned into mincemeat. My body.
Bones. Tendons.
How everything is fragile.
My soul is minced meat.
Everything what I loved by all my heart was minced meat.
So painful.
So scary.
……

Escape.
Escape from war.
Escape from death?
Is this salvation?
Is this recklessness?
Is it fear?
Is this hope?
Is this a choice?
Is this a catastrophe?
Who am I?
Where am I?
What am I doing here?
Why am I here?
Or is my life over?
….
Is there life after life?..
……
……
……

Despite all the dirtiness, injustice, cruelty,
abuse, sadism, lies, stench, pus, the horrors of war, despite the despair, I do want to believe the blood that sprinkled the earth, it will sprout flowers.

That spring will come and there will be peace, the gardens will bloom… Children will go to school without fear and will play in the parks.
And that the reason and the light will win. And that those seeds of kindness will ripen, that we have left, that we have in us, and they will yield a bountiful harvest.

I also know that when the wounds will be healed there will be scars… I have great hope that the pain will gone.

But I know when the pain will gone it we will stay with the traces… and even flowers of the peace will always remind us of it.

We are all walking wounds, walking scars.
Alive … Or … Dead?
This is inescapable.

 

Model: Anshela Kursonova

Hanna Kurnosova

Forced escape from home, 2024

Economist, 43 years, Ukraine

Sudden absolutely unexpected war that came to a completely peaceful city. Just yesterday you had an ordinary life, filled with meaning, planned for many years for future. And today you woke up from bomb explosions.
What feelings does a person have in one moment forced to leave everything he had acquired in his life, to leave his motherland, his comfortable life?
How does adaptation to new living conditions occur? Which feelings has a person in a new cultural environment, who does not know the language of new country, with completely broken social and soul connections?

The presented costume and art object transfers the state of a forced refugee through artistic tools.
The shape of the headdress, the net on the face shows limitations, the inability to see complete and full picture of the world, attempt to defense from cruelty of the world.
A head wrapped in a torn rope symbolises an explosion inside the skull, the inability to keep thoughts inside, the lack of the ability to think clearly, the inability to accept and realize the injustice of the world, the inability to deal with the pain, the loss of home, family, friends, worthy people, the loss of the sense of existence. The net on the neck presses with constant pain, the red beads look like drops of blood. Net in the neck don’t let to be free, to feel free. To breath free without difficulties. Ropes on the hands shows the lack of freedom of action, limiting movements. Heart with a network of diverging blood vessels.
There is a huge unhealed gaping hole in heart. Blood vessels are torn, torn to shreds. This is a separation from motherland, this is an isolation from family, friends, relatives, close people. It’s a symbol of being uprooted from a familiar, comfortable, beloved environment. In some places the vessels are darned with thick rude black thread – an attempt to create new social connections, establish contacts, and integrate into a new cultural and socio-economic environment. The skirt is assembled from strips of various torn fabrics. It shows trying to put the life together, a life torned to shreds, to fill your life with new different alien meanings, alien things, alien ideas , to join and integrate into a new cultural environment, to grow new roots. To darn, patch all the holes…

To create, to grow up a new space. A space of safe, comfortable living environment for children. So that children never hear the sounds of exploding bombs or never see the glow of fires from shells. And a daughter, 4 years old, is saying: “Mom! Don’t you understand? Don’t you know? Berlin is our home.”

 

Fatima Ibendant, Maya Aabi

Lichtblicke – Fatimas Kleid, 2023

FATIMA 52 , Hausfrau aus Marokko
MAYA 44 , Hausfrau, aktuell Praktikantin, Syrien

Für Fatima
Ursprünglich war nicht geplant, meine Geschichte zu Fatimas Kleid-Kunst-Werk zu erzählen. Die aktuell schwierige Situation meiner besten Freundin zeigt mir die Symbol Kraft, die in ihrer Arbeit zu diesem Projekt steckt und welche Bedeutung für mich darin zu finden ist.
Fatimas schwarzes, langes Kleid erinnert mich auf eine sehr emotionale Weise an eine äußerst schwierige und unzufriedene Phase in meiner Kindheit und Jugend. Ein aussichtsloser Kampf um Gesundheit, Einsamkeit, Ungerechtigkeit, Schmerzen und Leid. Es fühlte sich an, als wäre ich in einem schwarzen, endlosen Loch gefangen, ohne Hoffnung auf Besserung, bei wachsendem Unmut meiner Familie und permanenter, persönlicher Überforderung.
Aber trotz allem gab es auch Lichtblicke…
Viele Jahre später entschied ich mich nach Deutschland zu gehen. Hier erlebte ich Unterstützung und Verständnis, was mir das Gefühl gab, endlich als normale Person akzeptiert zu werden. Die „leuchtenden Schmetterlinge“ symbolisieren diese positive Veränderung.
Und dann gibt es noch den goldenen, starken Gürtel, der meinen Sohn Mamo symbolisiert. Er ist meine wahre Liebe und Unterstützung in allen Lebenslagen. Seine Präsenz macht meine Welt strahlender und erfüllt mein Herz mit Freude und Dankbarkeit.
Meine Reise durch all die Dunkelheit und Schwierigkeiten hat mich zu dem Menschen geformt, der ich heute bin. Es war nicht leicht, aber diese Erfahrungen haben mich gelehrt, dass es immer Hoffnung gibt, solange wir Liebe und Unterstützung in unserem Leben haben.
Ich möchte mich bei euch allen bedanken, dass ihr mir zugehört habt. Es hat mich sehr gefreut, zufällig ein Teil dieses Projekts zu sein und meine Geschichte mit euch teilen zu können.
Maya

Foto: Ben Safir

Claudia Jarosch

„move together – place for all“, 2023

Claudia Jarosch, 44 Sonderpädagogin, Deutschland

Foto: Irene Schüller

Aida Makhanova

Tradition vs Freiheit, 2023

34 Jahre, Juristin aus Kasachstan

Ein traditioneller kasachischer Look besteht aus einem langen Kleid mit Volant Reihen an Ärmel und Saum. Darüber trugen Frauen eine bunt bestickte Weste.
In den letzten Jahrzehnten haben kleinere Gruppen nicht nur die kasachischen Traditionen in der Gesellschaft verdrängt, sondern zugleich auch die Heiterkeit unserer farbenfrohen, traditionellen Kleidung.
Mein Kunst-Kleid ist daher schlicht weiß und nur die Form erinnert an die Tradition. Die Weste ist dominiert von schwarz – aber bunte Akzente sind vorhanden.
Ich vermisse die Freiheit zur Tradition.
Der eng geschnittene Halsausschnitt symbolisiert darüber hinaus ein Tabuthema. Über diese Dinge spricht man in der kasachischen Gesellschaft nicht öffentlich. Und Frauen dürfen dies schon gar nicht. Da zieht sich mir der Hals zu. Wie bei meinem Kleid. Meine Freiheit hier in Deutschland erlaubt mir, die Regenbogenfarben moderner Diversität in meiner verblassenden Traditionskleidung zu visualisieren und frei zu sprechen. Ohne mir darüber Gedanken zu machen.

Iryna Maksymliuk

OB 19/08/2023/Images of War, 2024

37 years old, Clothing designer, lecturer, candidate of art studies (PhD), Ukraine



OB – these are the first letters of the name and surname of my friend Ostap Brynskyi,
My art work is dedicated to the memory of him, a volunteer soldier, who died on August 19th 2023 in the battle near Bakhmut due to a mortar fire by the russian occupiers. 
A fragment from a shell made his heart stop…
Heros don’t die. People die who wanted to live.

The concept of my work is, that there are three objects:
The first object is a dress, it symbolizes the human body.
The second object is a cape, it symbolizes the protection of the body.
The third object is a breast ассessory, it symbolizes a weapon that kills.

In order to describe my idea, I used my own associations, reflections and emotions that the elements of the costume evoke.
When interacting with the objects, you as a visitor can have your own interpretation of what you see and feel.

 

Object No1    Dress
transparent elastic fabric, hand painting

It symbolizes the human body – nakedness, defenselessness, innocence.
Visually:     beautiful          tender         injured
Tactilely:    smooth             soft              scars
smell:          cleanliness      bandages    medicine
Emotions:  empathy          fear              disgust

violence… wounded body… mutilated not only bodies, but also souls…
cut alive… stitched without anesthesia with rough seams.

Object No2    Cape
black molton

It symbolizes the illusion of security – heaviness, fatigue, the unknown.
Visually:     difficult            long          dark
Tactilely:     ground            damp        sticky
Smell:          musty              mold         rot
Emotions:  discomfort      anxiety      despair

heavy, unpleasant, wet…has a bad smell…protects but is unbearable…wish to take off and show the body

Object No3   Breast accessory
mesh wire

It symbolizes death – danger, loss, suffering.
Visually:    huge                    dynamic          dangerous
Tactilely:   cold                      sharp               burning
Smell:       decomposition    burnt               blood
Emotions: loss                      despair            grief

a weapon that kills and destroys everything around… dismembers,
flesh… death… darkness… repulsion… despair… desolation

Model: Iryna Maksymliuk

 

The terrorist country russia mutilates the souls and bodies of hundreds and thousands of Ukrainians every day. Art is a powerful tool to visualize the wartime and express the feelings related to the crimes of the Russian occupiers on the territory of Ukraine. With the help of images, the audience can be emotionally addressed so that they can empathize with the pain and fear of the war victims. Art can be a testimony, an archive of events and a tool that encourages viewers to act and speak out against injustice. Its influence can raise awareness and inspire reflection on the demand for peace and an end to war!

 

Sarah Mast

„Elemente einer Flucht“, 2023

Grafikdesignerin und Kunsttherapeutin, Deutschland

 

Fotos: Irene Schüller
Model: Ida Biegel

 

 

Khalil Mousar

Das Fenster zu Ideen, 2024

Musiker und in Ausbildung zum Pfleger, 38 Jahre, Syrien

 

Meine kreativen begannen mit dem Versuch, meine Erinnerungen zusammenzusetzen und herauszufinden, wer der Grund für meine Flucht war. Kombinieren dieser Erinnerungen mit der durchgeführten Bildstudie. Durch Fotos sind viele Formen und Ideen entstanden und zwei haben sich sehr stark in meinem Kopf eingeprägt. Abgeschied und Entdeckungen- Angst vor dem Weggehen und Angst vor dem was ich finden wird sehr starke Bilder die mir allerdings nicht mehr so viel Traurigkeit bereiteten, der Flug über das Meer nach Deutschland ist wie viele wissen voller Unsicherheit und Gefahr. ich habe viele traurige Szenen gesehen, ich habe auf dieser Reise viele Menschen und Dinge verloren aber ich bin angekommen mit meinem T-Shirt, das fast auseinanderfällt und mit viel Kraft um neues mit Farbe zu füllen. Mein Objekt und Textil bezieht sich auf diese Reise und meine Erinnerungen und Kreativität die ich lernen musste um mein Leben neu aufzubauen. Eine Big Blase von Ideen und darin ein Verwirrtes von Gefühlen und am Ende gibt es einige auffällige Stücke, wie mein Hemd, das wir hier transparent machen wollten, um ein neues Fenster mit einer Vision für die Zukunft aufzuzeigen.

 

Toofan Niknejad

Frauen Leben Freiheit, 2023

Bauingenieurin, 68 Jahre, Iran

Ich habe dieses Kleid bewußt ausgesucht denn ich gehöre zu der Generation,
die den Shah (König) in der Jugend erlebt hat.
Ich spreche von den Zeiten, in denen wir Frauen nicht nur im Privaten sondern auch in der Öffentlichkeit modern und klassisch, westlich angezogen waren.
Mit der weißen Farbe möchte ich meine Hoffnung für die Freiheit der iranischen Frauen im Iran ausdrücken.
Die dunkle Farbe steht für die Problematik, die ich die ganzen Jahre im Iran hatte
und Iranerinnen leider immer noch haben.
Seit der diktatorischen, islamischen Regierung im Iran wünschen sich iranische Frauen nichts anderes als Freiheit und Anerkennung, weswegen sie festgenommen und teilweise ermordet werden.
Frauen, Leben, Freiheit.

Foto: Ben Safir

Lama Raphael

Nicht Du oder Ich, sondern Wir, 2022

Architektin, 42 Jahre, Syrien

Fotos: Irene Schüller
Model: Mahfuza Salh

Irene Schüller

Long Time No See, 2022

Künstlerin, 48, Deutschland

Die Außenseite besteht aus glatten Stoffbahnen, ähnlich einem Zelt, während die Innenseite – nur für die tragende Person sichtbar – aus mehreren, einst gefällten, aber nun leeren und neu zu befüllenden Taschen zusammengesetzt ist. Umfang und Schwere schützen und machen zugleich unbeweglich; Freiraum gibt es lediglich für die Augen. Im urbanen Raum wirken Kleid und Trägerin, oder Träger, wie eine in Stein gehauene deplatzierte Skulptur. Form sowie Farbe deuten ein Potential an, dessen Richtung noch nicht gekärt ist. Long Time No See beschäftigt sich mit meiner Unsicherheit als nur indirekt von Vertreibung, Flucht und Migration betroffener Person. Einer Person, die das Fluchtgeschehen beobacht, durch die Medien damit konkrontiert wird, und nach Handlungsmöglichkeiten sucht. Ich reise 2019 ins Lager Moria um mehr zu verstehen, freunde mich dort mit afghanischen jungen Frauen an und entwickele dieses Kunstprojekt. Eine der beiden ist eine unglaublich begabte Modedesignerin. Gemeinsam diskutieren darüber, wie die Erfahrungen um Emotionen in Kleid-Kunstwerken dargestellt werden könnten und entwerfen erste Kleider. Fast drei Jahre später sind meine afghanischen Freundinnen noch immer in einem Lager in Griechenland. Angehört wurden sie noch immer nicht. Ihre Namen darf ich nicht nennen, auch keine Bilder von ihnen zeigen, denn es droht Steinigung wegen Ehebruch. Ehebruch nach Zwangsheirat als fünfte Frau mit einem 30 Jahre älteren Mann.

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Fotos: Nils Theurer
Model: Yasmin Gryschka

Ursula Schroer

 Rettungsweste no route, 2022

Künstlerin, Deutschland

ca 52 cm x 65 cm Papier gefaltet

Die derzeitige Situation der UkrainerInnen macht sehr betroffen und daß man sowenig dagegen tun kann.
Seit Beginn des Krieges im Februar boykottiere ich die Gasheizung und die Rettungsweste ist ein Weiteres um mich mit dem Geschehen aktuell auseinanderzusetzen und dem einen Ausdruck zu verleihen. Sich damit direkt in die Lage versetzen zu können, was Flucht bedeutet, alles zurück zulassen, in einem ungefähren Zustand zusein, mit der unmittelbaren Bedrohung vom gesamten Dasein, in einer Verlorenheit.

Die anziehbare Weste mit einem Ärmel besteht aus altem Prospektmaterial
und alten Landkarten. Recycelt um den Co2 Anteil der Arbeit möglichst gering zu halten. Das aufspringende, teilbare Vorderteil ist links aus gefalteten Taschen zusammengefügt, mit Abbildungen von Teilen, die in den Taschen sein könnten und mit einem Kind das zurückblickt.
Der rechte Teil in Form von gekreuzten Faltungen, die der Abwehr und dem Schutz dienen.
Der Ärmel und der Rücken aus alten Kartenrouten und Landschafteni ist ein Gewebe, das auch sinnbildlich aus auf und ab, fühlbar macht und den Wechsel Tag und Nacht, in endloser Wiederholung.

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Fotos: Nils Theurer
Model: Yifeng Wang

Ramona Schwarz

Ungewissheit, 2023

Modedesignerin und Maßschneiderin, Studentin der Theatertherapie, 22 Jahre

 

ELEMENT DER ZEIT

Zugleich ein erbarmungsloses Element.
Mit dem Herzen wird hin und her voraus gerückt!
Ich will es nicht wahrhaben – es ist kalt.
Da was Blaues!
Wie jetzt angekommen? Abgeschnitten?
Von dem was noch hält.
Kontextlos, schamlos, still ist die See!

Am Horizont erhebt sich ein Schweif.
Doch nur Reste – Fasern stranden als Zeugen,
einer leidenden, endlosen Zeit.

 

Fotos: Irene Schüller
Model: Mahfuza Salh

Seham Sheko, Uwe Schimera

Schutzmantel, 2023

PTA, 43 Jahre, Syrien

Am 5. Januar 2016 flog Seham mit vier Kindern aus ihrer syrischen Heimat Richtung Libanon und dann weiter in die Türkei. Mit dem Bus ging es nach Izmir, mit einem Schlepper Boot und viel Glück auf dem Wasser erreichten sie Lesbos.
Seham gehörte zu den letzen Menschen, die ohne Visum in die Türkei einreisen konnten. Ihre Familie gehörte zu denen, die ohne Rettungsboot untergegangen wären. Sehams Intuition verdankt die Familie das Überleben, als sie auf dem überfüllten Schiff das oberste Deck wählte. Tatsächlich kenterte die Fähre.

Ihren Mantel mit eingenähten Schlafsäcken für ihre Babys und Rucksack, in dem die große Schwester die Kleine trug, nähte Uwe Schimera als großen Schutzmantel aus einer erdfarbenen Seide mit ihr gemeinsam.
Der Mantel ehrt Seham als Mutter, wie sie ihre Kinder ganz nah bei sich trägt und so vor den Gefahren der Flucht retten konnte.

Foto: Ben Safir

Edda Sodane

Sich neu zu fallen, 2024

Zahnärztin und Hausfrau, 41 Jahre, Syrien

Mein Konzept basiert auf dem Versuch meine Gefühle zu vereinen. Letztendlich wollte ich der Öffentlichkeit mein Gefühl zeigen, loszulassen und auf eine Zukunft mit Zweifeln und Unsicherheiten zu vertrauen. Dieses Gefühl des Vertrauens hat mich dazu bewogen mein Stück zu schaffen mit einem Spiel bei dem ich das Textil verwende und mit dem Gefühl des Fallens und des Vertrauens spiele. Ich hatte noch nie eine solche Erfahrung gemacht und als Zahnarzt verstehe ich sogar, wie wichtig es ist, einer anderen Person oder Situation zu vertrauen, aber es war eine einzigartige Erfahrung, dieses Gefühl vermitteln zu können, das ich während meiner Flucht und Migration erleben durfte in ein anderes Land, von der Reise über alle Schwierigkeiten, mit denen man hier bis heute konfrontiert ist.

Zahra Sodane

Verstecke dich in der Fantasie, 2024

Studentin, 29 Jahre, Syrien

Mein Ansatz basierte auf zwei sehr festen Vorstellungen, die ich zu meinem Fluchtweg hatte: Verstecken und Träumen.
Ich verstecke mich, damit ich nicht leide …
Ich träume davon, darüber hinausgehen zu können.
Verstecke dich vor traurigen Erinnerungen.
Ich träume davon, dass die Welt mir etwas zu bieten hat … Verstecke dich vor schlechten Gedanken.
Träume davon, dass das Leben schön und bunt ist.
Das Stück vereint diese beiden Ideen, die ich im Projekt geschaffen habe, und verbirgt mich selbst und die Farbe des Träumens. Verwirrung … und eine leere Leinwand.

Claudia Sousa Vaz

Saudade (Sehnsucht), 2022

Therapeutin und Yoga Lehrerin, 36 Jahre, Portugal

Meine Migrationsbiografie nahm ihren Anfang noch vor meiner Geburt, als meine Eltern von Portugal nach Luxemburg zogen. Zwischen dann und jetzt habe ich in fünf verschiedenen europäischen Ländern und als erwachsene Frau noch nie länger als drei Jahre am gleichen Ort gelebt. Auch meine Vorfahren kommen teilweise aus unterschiedlichen Kontinenten. Das Herumziehen ist also ein Teil meiner Lebenserfahrung, eng verwoben mit meiner persönlichen Geschichte.
Aus meiner Muttersprache stammt das Wort „Saudade“, eine Form Sehnsucht, die auch unabhängig von einem Objekt existiert, also ohne dass ich weiß, wonach ich mich sehne, oder was ich vermisse. Dieses Wort ruft viele Bilder in mir hervor. Es trägt in sich gleichzeitig Trauer und Schönheit, Schmerz wie Zärtlichkeit und eine Art süß-bitteren Geschmack.
Diese unterschiedlichen und teilweise gegensätzlichen Qualitäten möchte ich durch meine Arbeit erfahrbar machen. Das Kupfertuch, ein gewöhnlicher Haushaltsgegenstand, wird mit zarter Spitze verknüpft. Die durchsichtige Angelschnur, die alles zusammenhält, erinnert mich an den Ozean meiner Heimat und ist zugleich unglaublich leicht und resistent.
Das Kratzen auf der Haut soll eine ähnliche Erfahrung vermitteln. Am Anfang spüre ich es deutlich, mit der Zeit verändert sich das Gefühl, ich merke es kaum noch. Meine Sehnsucht und dieses leichte Gefühl von fremd-sein werden Teil von mir, wie eine zweite Haut. Ich trage weiter ihre Zeichen, aber nur unter meiner Kleidung, denn ich möchte in meiner Umgebung dazugehören.
Durch meine Saudade spüre ich, dass etwas fehlt, und werde gleichzeitig daran erinnert, dass es doch immer in mir ist, unter der Haut, tief im Herzen.

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Fotos: Nils Theurer
Model: Mahfuza Salh

Anne-Marie Sprenger

Hoffnung bleibt, 2022

Bildende Künstlerin, 60 Jahre, Deutschland

Gedanken zu meiner Arbeit:
Hoffnung bleibt als Wunsch und Ziel, denn ohne Hoffnung erscheint alles sinnlos.
Hoffnung – auf Frieden
– auf Leben
– auf Versöhnung
– auf Rettung
– auf Neuanfang
– auf eine bessere Zukunft etc.
Vorderseite:
Das Hemd hat zwei Taschen.
Die Tasche mit dem Wort FRIEDEN (deutsch und kyrillisch) ist leer – Frieden erscheint noch fern.
Aus der anderen Tasche mit dem Wort LEBEN hängen weiße Blütenblätter. Jedes Jahr erwacht die Natur zu neuem Leben – Hoffnung auf Neuanfang für alle….
Rücken:
Menschen auf dem Weg, die die aufgezeigten Hoffnungswünsche in sich tragen, denn Hoffnung muss bleiben –
ohne Hoffnung kein Leben.

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Fotos: Nils Theurer
Model: Mahfuza Salh

 

Maria Tereza Stoll

Mit Flügeln über den Atlantik, 2024

Pädagogin mit Master in Bildender Kunst und Design, 46 Jahre, Brasilien

 

Seit ich ein Kind war, wusste ich, dass ich eines Tages auswandern würde, irgendwo in der Welt.
Liebe und Neugierde haben mich nach Deutschland gebracht.
Und das eigene Schicksal, von dem viele glauben, dass es von Gott geschrieben wurde, selbst zu ändern, ist alles andere als einfach. Aber ich glaube, dass wir unser eigenes Schicksal mit den Farben färben können, die wir wollen.

Um meine Erfahrungen als Immigrantin darzustellen, habe ich eine Jacke upgecycelt, die ich bei meinem ersten Besuch in Berlin 2016 gekauft habe, der Stadt, die ich gewählt habe, um dort zu leben und neue Dinge zu erleben. Diese Jacke hat mich auf vielen Reisen begleitet und ich konnte sie nicht einfach wegwerfen, da sie ein wichtiges Erinnerungsstück für mich ist.

Die Vorderseite der Jacke stellt meine Vergangenheit dar. Das Wichtigste, was ich nach Berlin mitgebracht habe, war mein verwirrtes Herz, voller Liebe und Sehnsucht nach meiner Familie, die in Brasilien zurückgeblieben ist.

Die Rückseite der Jacke repräsentiert meine Gegenwart, die langen Stunden der Reise zwischen Brasilien und Deutschland. Sie steht für die vielen Male, in denen ich während der Reise über den Atlantischen Ozean spürte, wie mein Herz fröhlich, ängstlich, ruhig, nervös, voller Träume, voller Hoffnung, voller Neugier, voller Motivation und Mut schlug.

Ich habe mir oft gewünscht, bunte Flügel zum Fliegen zu haben, und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich sie habe, und mit dem vielen Kommen und Gehen zwischen Brasilien und Deutschland wird mir klar, dass es in dieser chaotischen Welt wichtiger ist als eine Internetverbindung, eine Liebesverbindung mit Menschen zu haben.

Mit dem Spiegel spreche ich über diese Liebesverbindung. Denn wenn ich mich selbst wirklich sehe, erlaube ich mir zu erkennen, wie wichtig der andere Mensch für den Aufbau meiner eigenen Geschichte ist.

Die unterschiedlichen Größen der Arme der Jacke transportieren die Botschaft:

Mit dem rechten Arm, der die kurze Seite ist, umarme ich denjenigen, der mir im gegenwärtigen Moment nahe ist. Die linke Seite ist länger, um diejenigen zu umarmen, die weit weg sind.

Zuwandern bedeutet, ein geteiltes Herz zu haben zwischen dem, was jetzt ist, und dem, was geblieben ist.

Die Liebe ist dafür verantwortlich, alles zusammenzubringen!

Amira Sulaiman

Nachtwald, 2023

Näherin, 52 Jahre, Syrien

„Wir lagen in unseren Kleidern im Winter nachts bei Gewitter und Regen unter Bäumen im Wald – mit großer Angst – In Syrien gibt es keine Wälder.“
Amira floh 2013 aus Syrien und lebte ein Jahr in Istanbul, bevor sie 2015 nach Deutschland kam. Der Weg ging zu Fuß durch Bulgariens Wälder – fünf Mal wurden sie vor der Grenze entdeckt und mußten zurück.
In Syrien gibt es keine Laubwälder unserer mitteleuropäischen Art. Bei nächtlichem Gewitter Regen im Winter auf dem nackten Waldboden übernachten hinterläßt eine angst, die man nie mehr vergißt.

Hier in Deutschland kleidet Amira sich westlich. Sie möchte bleiben. Die Tradition blieb zu Hause in der Heimat. Ihre Kleidung ebenfalls.
Ihr Kleid-Kunst-Werk erzählt die angstvollen Nächte in unbekannten Wäldern Bulgariens.
Sie nähte zusätzlich zu Hause ein fröhlich-traditionelles, farbenfrohes kurdisches Kleid. Das dunkle Fluchtkleid NACHTWALD in kurdischer Tradition als Ausdruck ihrer Angst während der Nächte im Wald.

Foto: Ben Safir

Inna Tarasova

Angst und Gewalt, 2024

53 Jahre, Designerin, Ukraine

Als ich über das Konzept des Kostüms nachdachte, wollte ich vermitteln,
wie sich mein Leben mit dem Ausbruch der Feindseligkeiten auf dem
Territorium der Ukraine veränderte. War das Leben vorher wie eine
Blumenwiese unter klarem Himmel, wollte ich mich nach der russischen
Aggression vor Schmerz und Angst verstecken.

 

Zozan Tardu

„Freiheit für Frauen“, 2023

Zodan Tardu, 26, Türkei

Fotos: Irene Schüller
Model: Anabel Loewe

Anita Trautmann

escaped, 2022

Künstlerin, 65, Deutschland

Baumwollstoff mit Siebdruck (Tansania ca. 1984)

Als Abwechslung zu meiner Arbeit am Schreibtisch und aus Neugierde auf die Welt, reiste ich in fremde Länder, um deren Kulturen zu sehen. Dort benutzte ich öffentliche Verkehrsmittel – Zug, Bus und Sammeltaxis und war so mit der Bevölkerung unterwegs. Ich erlebte Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft, war mitten unter Frauen und Familien. Im Lauf der Jahre ließen bei mir die Neugier und die Bereitschaft, Strapazen auf mich zu nehmen, nach. Ich hatte den Nordjemen bereist, war in Syrien unterwegs, in Myanmar und hatte schließlich die Lehmarchitektur in Mali gesehen.
So wie ich die Kulturen und Begegnungen nacheinander verinnerlicht hatte, wurden wenige Jahre später diese Länder zum Schauplatz von Auseinandersetzungen. Kulturdenkmäler wurden zerstört. Teile der Bevölkerung wurden unterdrückt und ganze Völker verfolgt. Von Kriegen heimgesucht, leiden die Menschen Hunger oder müssen fliehen. Um den „Feind“ zu unterwerfen und zu demütigen, werden systematisch Frauen vergewaltigt. Vertrieben aus ihrer Heimat, wird den Menschen in Europa oft mit Misstrauen begegnet.
Auch ich entkam einem versuchten Übergriff durch einen lauten Hilfeschrei.
Eine nahe Verwandte hatte zu Kriegsende 1945 in Deutschland weniger Glück.
Die 21-Jährige wurde in ihrem Elternhaus von drei französischen Besatzungssoldaten vergewaltigt.
Der lachsfarbene Stoff des Overalls ist mit roten Motiven von Hand im Siebdruckverfahren bedruckt. Für „Textiles Touches“ versehen mit einem beschädigten, roten Reißverschluss.
Wie die roten Bänder und Litzen erinnern diese an Gewalt und Verletzung. Ebenso die roten Nähte („Stiche“) an den Schultern, und die Löcher an den kurzen Ärmeln.

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Fotos: Nils Theurer
Model: Yifeng Wang

 

Kateryna Vasilkova, Uwe Schimera

Gaze of Black & White, 2023

Schauspielerin, 25 Jahre, Ukraine

“I assumed there was no black without white,
but black and white
turned out to be the same.
It all depended on the angle of my gaze”

„Ich ging davon aus,
dass es kein schwarz gibt ohne weiß,
aber es stellte sich heraus, dass es dasselbe war.
Es hing alles von meinem Blickwinkel ab“

«Я припускав, що чорного немає без білого, але чорно-біле виявився таким же.
Все залежало від кута мого погляду»

PEACE – REFUGEES ARE WELCOME
Kleid Entwurf Uwe Chimera – Koproduktion als Grundstein für eine neue deutsch-ukrainische Freundschaft – durch die Liebe zur Mode.

Fotos: Ben Safir

Sandra Viermann

Protector Kleid, 2023

Mode Designerin, 28 Jahre, Deutschland

Eine junge Modedesignerin verliebt sich in syrischen Geflüchteten
Die Tradition spricht gegen die Liebe der westlichen Art
Die Liebe zerbricht
Die Liebenden zerbrechen
Das Kleid erinnert an eine Zwangsjacke Zugeschnürt, abgeriegelt, eingeschlossen
ein Schleier von Traurigkeit liegt um die Schultern gleichzeitig wie ein Schutz um das Herz
in der farblosen Welt ohne die Liebe

Foto Ben Safir

Annrike Udroiu

„Gefangen“, 2023

Mode-und Kostümdesignerin, 45 Jahre, Deutschland

Mein Entwurf soll die Begrenzung wiederspiegeln, die ein Leben auf der Flucht und auch danach, in einem Leben in der Fremde, mit sich bringen kann.
Es besteht nur ein gewisser Handlungsspielraum innerhalb des Kleidungsstückes, der allerdings kaum Bewegungsfreiheit mit sich bringt.
Man kann sich in „Gefangenschaft“ nur in einem sehr eingeschränkten und vorgegebenen Raum und Rahmen bewegen. Eine unbekannte Sprache, eine fremde Umgebung, rechtliche Einschränkungen, lauernde Gefahren, der Verlust der vertrauten Heimat und das Zurücklassen des persönlichen sozialen Netzwerkes schränken sehr stark ein.
Beim Tragen des Kleidungsstückes empfindet man schnell Unbehagen, da vieles was man an gewohnten und automatisierten Bewegungen ausführen möchte nicht möglich ist.

Fotos: Irene Schüller
Model: Jochen Schünemann