Ein neues Projekt zu beginnen, ist ein wenig wie eine Reiseplanung – man bereitet sich lange vor, entscheidet sich für eine Richtung, in die es gehen soll, wählt die Weggefährten und packt die Koffer. Für dieses Projekt waren in den Koffern Nähmaschinen, Stoffe, Garne, Farben, Pinsel und verschiedenes Werkzeug. Die Phase der Vorbereitung gestaltete sich als recht lang und umfangreich. Anträge mussten gestellt, Gelder beantragt und ein geeigneter Raum gefunden werden. Wenn dann die Reise – das Projekt – wirklich beginnt, ist eine gute Vorbereitung sehr hilfreich, das Wichtigste ist aber, dass man sich darauf einlässt und dem Prozess vertraut. Denn der kreative Prozess ist Ausgang immer ungewiss.
Wir wussten zwar, wer sich angemeldet hatte, wer tatsächlich kommen würde, blieb jedoch eine Überraschung. Am ersten Wochenende kamen weniger Teilnehmerinnen als geplant, es stellte sich aber heraus, dass dies eher ein Vorteil war, da es sich als größere Herausforderung darstellte, den Inhalt und das Ziel des Projektes zu erläutern. Die Fragen, die auf der Website als Orientierung zur Verfügung gestellt waren, halfen, sich dem Thema anzunähern, auch wenn es aufgrund der Sprachbarriere nicht ganz einfach war, sie zu bearbeiten. Mit der Zeit fanden wir jedoch einen guten Weg, miteinander zu kommunizieren und es entstanden erste Entwürfe. Ein gemeinsamer Einkauf im Stoffladen rundete den ersten Tag ab und ermöglichte, am nächsten Tag richtig aktiv zu werden. Während wir gemeinsam arbeiteten, entstanden immer wieder interessante Gespräche, sofern es sprachlich möglich war, und wir erfuhren etwas über die Geschichte der Frauen, in dem Maß, in dem sie sich öffnen wollten, und man konnte ein erstes zartes Gefühl von Vertrauen wahrnehmen.
Am zweiten Wochenende des Projekts begegneten wir uns bereits mit einer größeren Vertrautheit und begannen mit einer gemütlichen Gesprächsrunde. Aufgrund des Bahnstreiks waren wir wieder weniger Teilnehmer als gedacht, dies ermöglichte jedoch, uns den Anwesenden ausgiebiger zuzuwenden, und wir stellten fest, dass dies sinnvoll und auch nötig war. Wir sprachen mit ihnen über ihre aktuelle Situation, Unterstützungsmöglichkeiten, aber auch über den Umgang mit Rassismus, Ablehnung und Ängsten. Die Gruppe war schon merkbar zusammengewachsen und wir konnten wahrnehmen, dass dies den Teilnehmerinnen Halt und Geborgenheit gab. Die Kunstwerke schritten voran, und am Ende des Wochenendes waren wir sehr stolz auf die geschaffenen Exponate.
Nun steht uns ein letzter Termin bevor, und wir freuen uns darauf, die Teilnehmerinnen wiederzusehen und die Kunstwerke fertigzustellen. Im Rückblick kann ich für mich sagen, dass ich sehr froh bin, mich auf dieses Projekt eingelassen zu haben. Über welches Medium sich man den kreativen Kräften im Inneren bedient, ist vielleicht gar nicht so wichtig – über das, das vorgegeben war, hat es meiner Wahrnehmung nach sehr gut funktioniert. Wir konnten den Teilnehmerinnen über die Arbeit an den Kunstwerken eine Möglichkeit geben, sich sanft ihren inneren Themen anzunähern und sie auf ihre Weise auszudrücken. Es bleibt dabei nicht aus, dass dies auch schmerzhafte Anteile aufdeckt und weckt, aber wir hatten den Eindruck, dass wir diese dunklen Momente gut auffangen konnten und die Teilnehmerinnen in ihren Prozessen so unterstützen konnten, dass es für alle eine positive Erfahrung wurde. Ein zentrales Moment bei der Auseinandersetzung mit der Thematik „Flucht“ ist die Einsamkeit, und die Erfahrung einer zugewandten, wohlwollenden Gruppe kann dies zumindest für eine Weile lindern.
Ich persönlich nehme von diesem Projekt eine tiefe Ehrfurcht vor diesen Frauen mit, die mit unglaublichem Mut und Durchhaltevermögen in einer Welt behaupten, die ihnen oft nicht wohlgesonnen ist. Und auch vor denen, die es nicht müde werden, all die zu unterstützen, die Hilfe benötigen. Es ist eine besondere Magie, wenn man beginnt, ohne Sprache miteinander zu kommunizieren, auf einer Ebene, bevor Worte entstehen. Da sich auch das Schaffen von Kunst auf dieser Ebene bewegt, zeigte sich mir das Projekt als sehr stimmig und gut funktionierend, und wir bekamen von den Teilnehmerinnen ebendiese Rückmeldung – gekoppelt mit dem Wunsch, es zu wiederholen oder weiterzuführen.
Sarah Mast, Kunsttherapeutin, Stuttgart